Freitagabend - Salon Kommotis*. Genialerweise hat uns Stavros die letzten Termine gegeben, so können wir von hier aus direkt ins Wochenende starten.
Das balinesische Windspiel erklingt, als uns die letzte Kundin beim Verlassen des Ladens die Tür aufhält. Wir treten ein, worauf uns Maestro mit großer Geste entgegenfliegt: „Aaah, da gomme ja maine petaloúdes*“, und sogleich wieder durch den klirrenden Perlenvorhang, der den Privatbereich des Salons abteilt, entschwebt.
Bepackt mit einer Flasche in der einen Hand und drei Gläsern in der andern kehrt er zurück. Der Korkenzieher hängt ihm am kleinen Finger und schwingt im Takt seines Ganges rhythmisch auf und ab. Während Stavros die Flasche entkorkt, zitiert er uns mittels Kopfzucken an die entsprechenden Bedienplätze, reicht uns die Gläser: „Yamas“, und wir stoßen an. Unser Kommotis* nippt allerdings nur, da er ja noch nicht wirklich Feierabend hat und fragt: „Wer gomme suers?“, worauf sich Laura setzt und auf eine Seite des Buches deutet, dass auf ihrem Schoss liegt: „Diesen Schnitt hier find ich klasse!“
Fachmännisch prüfend nickt Stavros und erteilt seine majestätische Zustimmung: „Iss diese gutte Gatt, sähr gutte Chärgatt sogar! Bass wunderba su dain Tupp. - Lass du mir einfagg mache. - Bin igg die Chunsdler und du die Obcheggd.“ Der hochwohlgeborene Künstler holt ein paar Tiegel und Fläschchen zum Objekt. Virtuos mischt er darin giftig anmutendes zusammen: „Suers fange wir an mit die Chafarbe. Geb igg dir ein Fidsel mähr von die Gastaniendonn dassu, kalá*?!“
Geduldig schlürfe ich meinen Prosecco, warte bis er mit Lauras Haarfarbe fertig ist und sich an mich wendet. Er holt tief Luft und setzt an, mir seine neue „Chreasion“ anzutragen. - Stavros wäre nicht Stavros, wenn er es nicht immer wieder aufs Neue probieren würde. - Und ich wäre nicht ich, wenn ich ihm nicht immer wieder aufs Neue zuvorkäme: „ICH bin NICHT Laura, also versuch´s erst gar nicht, Figaro!“
Sogleich fallen seine bereits weit ausgeholten Arme, unterstrichen von demonstrativ enttäuschtem Augenrollen, zurück Richtung Boden.
Seine Augen formen sich zu schmalen Kaa-die-Schlange-aus-dem-Dschungelbuch-Schlitzen.
Betont trotzig lässt er die Schultern hängen, schiebt den Kopf samt Unterkiefer nach vorne und zickt mich zischend an: „Mágissa*!“
Mit einem repräsentativen, wenn auch leichten, Schlag auf den Hinterkopf, schubst er mich in die Position in der er mich haben will.
Unterstrichen lieblos wirft er mir den Umhang um und zurrt den Kragen extra ein bisschen enger als nötig.
Mit einem Gesichtsausdruck, der eine gewisse Arroganz nicht verbirgt, beginnt Mister Hochnäsig mit den Strähnchen: „Un außerdem chaisst nix Figaro, chaisst Kommotis *, bin igg Grieche!“
Ups! - JETZT ist er pissed!
„Du kennst mich doch - nicht böse sein. Ich weiß ja, ich bin für einen Künstler wie dich mehr als fad“, starte ich einen Versöhnungsversuch, „aber seit Jahren bin ich mit dir und meinen Haaren wirklich super glücklich und mehr als zufrieden. Ich mag es genau so wie es ist und schlafende Hunde weckt man eben nicht.“
„Nai*“, nickt er eifrig, „Chund iss die perfeggte Ausdrugg: Bissu ain fiese Chundin.“
Unbedacht plappere ich: „Kundin jetzt - oder Hündin?“
Das hätte ich nicht tun sollen, denn ich ernte einen tödlichen Blick. Wenigstens blickt er mich dabei gnädigerweise wieder an, wenn auch nur über den Spiegel.
Gott sei Dank sieht Laura aus der Zeitschrift auf und schaltet sich rettend ein: „Bertram hatte es ja Samstag ziemlich eilig, habt ihr die Tram noch erwischt?“
„Nai*, un rechssaitig im Puderossa su die grosse Schow von die begannte griechische Drägg-Queen Dramatossia gegomme! - Ainfagg grossatigg!“
Und schon ist er wieder gut drauf: „Un? Chabt ihr auf die Pardy schnugglige Tuppen chennen gelärnt?!“
Lauras Wärmegerät piept gerade, als Stavros mir das letzte Passee Strähnenfarbe aufträgt. Er begleitet Laura zum Waschplatz und schäumt ihr den Schädel ordentlich ein, während sie ihrem Unwillen Ausdruck verleiht: „Es war schlichtweg deprimierend, kann ich dir sagen.“
Stavros frottiert ihr das nasse Haar: „Gibbs ja gar nix. - Dass ihr chabt so Probläm?! - Óchi*, im Ärns, kann igg gar nix versteche, wo ihr swai said so bessaubernde Cheschopfe!“ und wirft mir einen Bände sprechenden Blick zu.
Mit unüberhörbar sarkastischem Tonfall setzt er nach: „Vor alle du Julia, óchi*?!“ und weist Laura den Rückweg.
Also ich persönlich finde ja, das geht wie Honig, doch Laura gibt sich da eher indigniert: „Jaja, bezaubernde Geschöpfe, von wegen! - Weißt du, ich überlege mir ernsthaft, ob ich mich bei einem Online-Portal für Singles anzumelden.“
Ich glaube ich höre nicht richtig, dachte ich doch diese Flause wäre längst wieder abgehackt. Entsprechend empört reiße ich den Kopf herum, erleide ein Schleudertrauma und rufe: „Laura!!!“
Doch rüde werde ich zurück auf Position geschubst: „Bleib gefälliggst cherade mit dain Chopf!“
„Wie du siehst ist Julia eher weniger begeistert von meiner Idee.“
„Ach was! Kann igg dir sagge, iss gutte Idee. Chat maine Freund Challisto auf diese Wäg sain chroße Glugg chennen gelärnt. Chält diese fast schon sait aine chanse Jahr!“
„Im Ernst?“
Lauras Augen glänzen und ich werfe ein: „Ja, aber das ist vielleicht auch noch was anderes bei euch Schwulen?!“
Der Anstifter streckt mir die Zunge entgegen: „Iss Challisto chetero“.
Während Stavros fönt, versteinert meine Mine und bei mir piept es. Er beendet Lauras Haarschnitt, dreht mein zu Ende gepiepstes Wärmegerät beiseite und wäscht mir wortlos die Farbe aus.
Schnippisch knallt er mir eine völlig unnötige Packung ins naturweiche Haar, schlingt mir das dickste verfügbare Handtuch bis über die Augen und kehrt zu Laura zurück.
Irgendwie fühle ich mich aufs Abstellgleis geschoben. Ich klappe mir die Textilware aus dem Gesicht und hänge, nur noch Bahnhof verstehend, Akustik gedämmt im Waschbecken.
Das einsetzende Föngeräusch tut sein übriges und ich kann mir nur düster ausmalen, wie der Rädelsführer zu einem Ich-ermutige-jetzt-Laura-Rundumschlag ausholt, während er lustig mit den Rundbürsten jongliert.
Endlich bin ich nun an der Reihe und sehe Laura hinter mir ins Speigelbild huschen. Aufgeregt schnattert sie vor sich hin, klaut sich vom Bedienwagen den Rückspiegel, um gebührend und aus allen Blickwinkeln ihre Haarpracht zu lobpreisen: „Oh du Gott der Haarkunst du - ich find mich rattenscharf!“
Als auch ich aufgehübscht bin, füllt Laura den Rest der Flasche in die Gläser: „Auf uns und auf die Liebe!“
Doch unser Kommotis* lässt es sich nicht nehmen, einen Toast auf seine ganz eigene Weise auszusprechen: „Endlig Feierabenn!“ - Ob er dies auf uns bezieht, speziell auf mich oder den Umstand an sich, bleibt nebulös. - Wir stoßen an, worauf sich Stavros Kelch bezeichnender Weise in einem Zuge leert.
Ein Blick auf die Wanduhr verrät mir, dass wir uns sputen müssen. Die Tischreservierung beim Äthiopier ist für 20 Uhr.
Es gibt das gewohnte große Herumgebussel, gepaart mit affektiertem Gegacker. An der Kasse folgt nun das großzügige Trinkgeld, welches die Wertschätzung erweist, denn in Sachen Haare ist Stavros einfach unschlagbar.
Ein letztes Mal überprüfe ich im Spiegel den perfekten Sitz meiner blonden Mähne, worauf wir eilends davon trippeln und gerade noch rechtzeitig ins Blue Nil stürzen.