Melanie Nunner
  5 Helleschock
 

 

Es regnet in Strömen, als ich aus der Wanne steige und ernsthaft zu Gott bete, es möge sich jetzt bitte nicht einregnen oder gar eklatant abkühlen. Denn ich hab mir schon mein neues Kleidchen zurechtgelegt.

An sich zwar ein luftiges Sommerkleidchen, aber so warm wie es dieser Tage war, durchaus auch schon Ende April tragbar.

Außerdem habe ich mich zwischenzeitlich schon komplett darauf eingeschossen.

Und wenn ich mich erst mal auf etwas eingeschossen habe, ziehe ich es auch durch. – Basta!

Auch, wenn das bedeutet ausgerechnet HEUTE genau DIESES und ausschließlich NUR DIESES tragen zu wollen. (Manchmal frage ich mich, warum ich mir das Leben eigentlich immer so schwer mache.)

 

Gegen 21 Uhr schütte ich mir noch einen Espresso Push-up-Äffekt ins Gesicht und stelze Minuten später, bewaffnet mit Ausgeh-Täschchen und leichtem Mäntelchen, hochmotiviert Richtung Haltestelle.

Der Himmel ist mir gnädig, es hat tatsächlich aufgehört zu regnen.

Also wage ich mich ohne Schirm-Ballast außer Haus und trage zum Fähnchen von Kleid doch nicht die Pumps, sondern gewagte Riemchen-Stillettos.

Unnötig zu erwähnen, dass ich auf dem Weg in unendlich viele Pfützen tapse. Storchengleich durchwate ich quasi einen einzigen, riesigen, wenn auch seichten, See. Na, DAS fängt ja schon wieder gut an...

 

Als ich endlich am Lehel angeschlapft komme, habe ich mich selbstverständlich  wiedereinmal verspätet - in dem Punkt bin ich mir treu. Grußlos fällt Lauras mehr-als-eindeutiger Blick direkt auf mein Schuhwerk und wandert die blanken Beine empor. Am zarten Stoff meines edlen Hauch-von-Nichts bleibt er kleben: „Mutig, mutig. Du traust dich was.“ Natürlich trägt SIE Stiefeletten zum engen Röhren-Catsuit.

„Gschaftlhuberin“, denke ich, während wir die Rolltreppe emportrullern. Oben angekommen stelle ich kontra-verzückt fest, dass es in der Zwischenzeit tatsächlich wieder angefangen hat zu regnen. Es plätschert zwar nicht ganz so dolle wie zu Anfang, doch ist es immer noch Lichtjahre entfernt von Krause-glatt-fön-tauglich.

Noch im Unterstand zückt Laura, auf sie ist halt Verlass, ihren Knirps und sieht mir sprachlos zu, wie ich kurzer Hand aus den Hochhackigen schlüpfe und barfuß gehe.

 

Als wir in Sichtweite zu unserem Ziel sind, fühle ich mich vom Türsteher unangenehm gescannt, während ich an einer Litfaßsäule lehne und versuche möglichst unauffällig die ollen Schuhe wieder anzuziehen, ohne   dabei aus dem Radius meiner Knirpshälfte zu kippen. – Kunststück!

Ich werfe dem Testosteronbolzen einen verächtlichen Blick zu und wir staksen Richtung Party-Eingang.

Saublöd grinsend lässt uns der Gorilla trotzdem rein und ich folge Laura, die sich willensstark durch die Traube vor der Garderobe in Richtung Bar kämpft.

Unerwartet schnell kommen wir an die Reihe, und Laura erflirtet sich bei ihrem fordersten Mitstreiter schneller einen Drink, als ich piep sagen kann. „Sooo! - SO also macht das ein verzweifeltes Single-Weibchen, kurz vor dem verdörren“, zische ich ihr neidisch zu und ernte nur hämisches Grinsen. Unbeirrt wartet sie, bis auch ich mein Getränk in Händen halte und verabschiedet sich artig vom edlen Spender.

„Irres Ambiente“, bemerke ich und halte Ausschau nach Männern meines Beuteschemas, während Laura schon wieder flirtet. Diesmal mit einem, der seinem Teint nach, gerade aus dem Urlaub kommt. Ich denke schon beinahe, sie lässt mich gleich komplett links liegen, als sie sich auf plötzlich von ihm ab- und mir zuwendet: „Unglaublich!“

Erstaunt über so viel Einsicht vergewissere ich mich: „Dein ungezügeltes Balzverhalten?“ Worauf ich Lauras ordentlichen Seitenhieb ernte.

„Den Typen meine ich“, stöhnt sie mit vehement schüttelndem Kopf und verleiht ihrer Zornesfalte Existensberechtigung: „Gräbt mich hier ultimativ forsch an und hält mich dabei doch tatsächlich für so unterbelichtet, den Streifen an seinem Finger nicht zu bemerken!“

„Welcher Streifen und an welchem Finger?“

„Na, den weißen Streifen am gut gebräunten EHE-Ringfinger! - Und als ich ihn darauf anspreche erwidert er doch glatt, dass er für ne heiße Nummer auch gern mal sein Gewissen an der Garderobe abgibt!“

„Arschloch!“, mehr fällt mir dazu spontan nicht ein.

Als nächstes steuert ein Typ Fabrikat Trabbi mit ausgelutschter Dauerwelle und schlechtsitzendem Achselhemd auf uns zu und fragt, wer von uns beiden zuerst mit ihm tanzen möchte. Das jedoch können wir uns gerade noch so verkneifen und lehnen ebenso dankend wie entschieden ab. „Ja glaub ich´s denn?“, ich stelle mein leeres Glas ab und ziehe Laura auf die Tanzfläche. Hier sind wir sicher. Denke ich - doch just in dem Moment tanzt mich ein absoluter Tanz-Legastheniker an, welcher damit sogar den zur Gänze arhythmischen Peter noch toppt. Nachdem uns auch noch ein neureicher Ober-Yuppie mit schleimiger Gel-Tolle im Hilfiger-Outfit hüfteschwingend umzirkelt und in eine aufdringliche Hugo Boss-Wolke hüllt, fliehen wir notgedrungen an die frische Luft, wobei ich mir beinahe an der Treppe noch schnell den Absatz demoliere: „Puh, zu viele Männer auf einmal, können aber auch anstrengend sein...“ Laura (eingeschworene Nichtraucherin!) schnorrt sich eine Zigarette und lässt sich Feuer geben, „...wenn es solche Topmodells sind, wie die gerade eben“, sie pustet hastig den Rauch aus - hüstelt: „Schmeckt echt scheiße“, und drückt sie wieder aus.

Als wir wieder nach unter gehen, laufen wir geradewegs Stavros, unserem schwulen Haus- und Hoffriseur in die Arme. „Yassu maine swai ubschen  Poppchen.“ Gewohntermaßen zieht unser griechischer Hairstylist jedes Wort, in bezeichnend nasalem Singsang, eeextra laaan-ge (unwillkürlich denke ich dabei jedes Mal an eine Operette - oder so): „Na, ihr Sossen, chonnt aug mal wieder bai mir vorbaischau-che. So, wie ihr aussäht!“, zwitschert er uns ungeniert und lauthals entgegen, so dass sich ja jeder nach uns umdreht. Peinlichkeit ist für ihn ein Fremdwort.

„Chabe igg eksdra für eug die neue Frisurebugg chegaufd und die Drend iss wirgligg sähr innowadief.“

Ebenso ungefragt wie übertrieben, fuchtelt er in meinen Haaren herum: „Na Laura, was mainsu? Wemma da so bissl mähr in die Gesigd franns? Wurdä schigg su Julia basse, nigd?!“

Laura nickt eifrig, in der bangen Hoffnung, Stavros möge sie mit seiner Fummelei verschonen. „Wann ihr swai Koritsi* chabt Luss un Said?“

Gottlob kommt in rettender Sekunde sein Begleiter. Bertram ist geradezu das Paradebeispiel, eines nicht erkennbaren Homosexuellen, und wirkt extrem männlich.

Offenbar hat er die ganze Zeit ungeduldig am oberen Treppenabsatz auf ihn gewartet und hakt ihn nun unter: „Ich bitte dich Stavros, wir verpassen unsere letzte Tram, komm jetzt!“

Stavros gibt uns jeweils drei wichtige Küsschen und schwirrt ab: „Also dann, maine Taub-chen, ruft ihr mir ainfagg an, finde wir schon bassende Därmin.“ Als Dreingabe gibt es noch ein exaltiertes Luftküsschen aus der Ferne und Stavros ward nicht mehr gesehen.

 

„Grundgütiger - ich liebe ja seine Haarkünste wirklich sehr und schätze ihn über die Maßen, aber manchmal raubt er mir glatt den letzten Nerv“, platzt es aus mir heraus, worauf ihn Laura perfekt nasal parodiert: „Ja Koritsi*, iss diese Berof Chunsd am läbende Obchegd, seche igg migg als echte chroße Chunsdler!“

Und ich ergänze: „Gomm lass uns nogg edwas danze geche, bevor unsäre lesste U-Bahn gommd.“



 
 
  Heute waren schon 5 Besucher (15 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden