Trottel des Jahres - 08.03.2011 |
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Nach tagelangem Gebohre, Geschiebe, Gepolter und Gehämmer ist es nun also amtlich und offiziell: Meine neue Nachbarin heißt Frau Czernizy.
Mitte des Monats begegne ich ihr das erste Mal persönlich.
Ich kehre gerade mit vollbepackten Armen vom Einkauf zurück und beuge mich keuchend vornüber, um den Hausschlüssel (der seit der WM am schwarz-rot-goldenen Halsband baumelt) ins Schloß zu stecken.
Zitternd bemüht sich meine Hand, unter der Schwerlast, den Schlüsselschlitz zu treffen, als die Tür abrupt von innen aufgerissen wird.
Stolpernd stürze ich ins Treppenhaus, vernehme ein „Hoppala“ und balanciere gerade-noch-so den sperrigen Einkauf aus, bevor sämtlicher zu Boden kracht.
Ich torkle und denke: „Ja, schau halt zuerst, bevorst die Tür aufreißt – du blede Amsel – du!“
Binnen Sekunden brennt sich ihr unschönes Abbild unwiderruflich auf meine Festplatte: Fahle, leicht schwammige Gesichtshaut mit ungesund gräulichem Teint, unterstrichen von trüben, glasigen Augen mit Schlafzimmerblick.
Ihr flaches Mondgesicht wirkt irgendwie fischköpfig und sie müsste wirklich mal ganz dringend Stavros' Bekanntschaft machen. (Falls da überhaupt noch was aus den lapprig-weichgekochten Spagetti-Haaren in attraktivem Knödelblond zu machen ist.)
Auf jeden Fall wirkt ihr konservativer Haarschnitt unglaublich prüde und würde man einen Menschen auf den ersten Eindruck reduzieren (also – nicht das ich das will), wäre strunzdumm, ob ihres dämlichen Gesichtsausdruckes, das einzig treffende Adjektiv.
Offenkundig wird sie soeben abgeholt, denn sie poltert aus der Haustür, winkt rufend einem Glatzkopf im Auto zu: „Brauchst nicht parken Egon...“ , fiept es und watschelt in Richtung Wagen, „...bin schon da“.
Während ich meinen Kopf drehe und ihr verstört nachblicke wird mir ganz schummerant bei der Vorstellung Wand an Wand mit solch einer Person zu hausen.
Augenscheinlich gleicht mein Leben einem ewig währenden Alptraum, aus dem es keine Chance gibt zu entfliehen und die Chance je daraus zu erwachen rechne ich mir Truman-Show-gering aus.
Ich schleppe mich die Hochparterre-Stufen empor und öffne die Wohnungstür. Als ich sie wieder schließe entdecke ich die tote Maus, welche soeben zwangsläufige Bekanntschaft mit der dahinterliegenden Wand gemacht hat. (Nun bin ich mir sicher: Auf mir lastet mindestens und definitiv ein böser Voodoo-Zauber oder ich büße für meine gesamten letzten Leben nun auf einmal. - Da muss ich aber dann der schlimmste Mensch seit Erfindung des Universums gewesen sein!)
Ich seufze und Sheila kommt stolz maunzend angelaufen.
Angeekelt entledige ich mich der Einkaufstaschen, hole Schaufel und Besen und entsorge fluchend das Präsent, während ich mich zeitgleich bei meiner lieben Katze bedanke. Froh bin ich nur, dass es kein kleines Vögelchen ist, denn Tweetie war erst letzte Woche fällig.
Meine Taschen sind endlich ausgepackt.
Ich wasche das Gemüse und breite es zur weiteren Verarbeitung auf der Küchenzeile aus.
Als ich gerade das Schneidebrett aus dem Regal ziehe beglückt mich Turbo-Cat mit einer neuen Gabe. Diesmal in Form einer Libelle, deren wild flatternde Flügelspitzen noch aus Sheilas Maul ragen, bis es ein paar Mal laut knackt und weg ist sie.
Genüsslich leckt sich die (das Unschuldslamm) Killerkatze die Schnute und miaut in allen Tonlagen. Stolz brüllt sie um sich und ich bin heilfroh, dass ihr Dessert keine Spuren hinterlassen hat, denn an und für sich wollte ich mich nicht akut auf dem Gemüse übergeben.
Ich schüttle mich angewidert und konzentriere mich wieder auf die Essenszubereitung.
Das marinierte Fleisch entnehme ich zwar dem Kühlschrank, doch halte ich (aus Vorbehalt meiner räuberischen Mitbewohnerin gegenüber) wohlweislich den Deckel des Behälters noch geschlossen.
Aus dem Holzblock ziehe ich das geeignete Messer und mache mich an die Zucchini, schneide danach die Karotten in dünne, lange Streifen, dann Lauch und Ingwer. Zum Schluss noch ein paar Frühlingszwiebeln und die Paksoi-Blätter. Gerade als ich mir die Chilischoten zur Brust nehme, klingelt es an der Tür.
Ich halte inne, hebe den Blick und lausche.
Stille.
Ich schnipple weiter und es klingelt erneut – diesmal Sturm.
Ich blicke auf meine eingesauten Finger und wische sie mir notdürftig an meiner Schürze ab.
Während ich zur Tür stolpere, erspähe ich auf der Uhr im Flur die Zeit – 17.47 Ortszeit. Für den Postboten ist es viel zu spät, der Zeitungsjunge klingelt nicht Sturm und Laura hat sich erst für Sieben angemeldet.
Sind es etwa die Zeugen Jehovas?
Ich luge durch den Spion und erkenne eine aufgelöste Gisele.
Als ich öffne, sieht sie mir auf meine verschmierte Schürze und dann entschuldigt sie sich: „Desculpe Favorito* - Schatzi, ich habe mir ausgesperrt. Schlüssel vergesse. Lässt du mir Carlos kurz anrufe?“
Ich trete einen Schritt zurück, damit sie eintreten kann und bitte sie: „...den Hörer kannst du ja selbst abheben und wählen ja wohl auch – will nicht alles einsauen...“ - tänzelnd und mit hoch erhobenen Schmierfingern umrunde ich eine wählende Gisele - „...hab´s auch bisserl eilig. Um Sieben steht hier Laura auf der Matte und freut sich aufs Perfekte Dinner.“
Ich schneide weiter Chili und höre wie Gisele mit ihrem Favorito* spricht: „...Meu Tigres*, hier ist dein Pequena*-Dummchen...“ Dabei mischt sich ihr gutes Deutsch mit dem noch besseren Portugiesisch.
Nachdem sie zu Ende telefoniert hat bietet sie mir eine Zigarette an: „Cigarro?“
„Gisele, Süße“, schüttle ich den Kopf, „hast du mich JE rauchen sehn???“
„E permitido fumar aqui* - darf ich, por favor*?“
Sie zündet sich eine an, inhaliert „Carlos sollte jede Moment hier sein. War er gracas a Deus* schon auf Heimweg“ und stößt den Rauch wieder aus: „Danke Julia, hast du etwas gut bei mich.“
Gerade als ich das Messer in die Spüle lege, klingelt Giseles Abholkommando.
Wir verabschieden uns mit Küsschen, wobei mich rücksichtsvoll eine voll Feinstaub-geschwängerte Ladung feinsten Nikotins in reinster Hochpotenz erwischt. Hüstelnd schließe ich die Tür mit dem Ellenbogen und steuere das Bad an um endlich meine Hände zu waschen, als plötzlich meine Augen vom Qualm derart brennen, dass sie zu Tränen beginnen. Halbblind taste ich mich vorwärts bis ich mir das Nass von den Wimpern wische.
DAS WAR EIN FEHLER!!!
Abrupt breche ich über dem Waschbecken zusammen, denn inzwischen gleichen meine Augen brandtechnisch einem lodernden Feuer, in das jemand lustig eine Flasche Spiritus kippt. Oder einem Netzhaut-Kissen bestückt mit tausend klitze-mini-kleinen Mikro-Nädelchen, auf das gerade eine ganze Ameisenherde pisst.
„SCHEIßE!“ schießt es mir durch den Kopf und die Chilisaft-Tränen-Sintflut aus den Augen.
So verharre ich in gebückter Haltung, mit den Augen (hauptsächlich dem linken) unter dem laufenden Wasserhahn.
Kaum eine viertel Stunde später bin ich zwar um eine geschätzte Badewannenfüllung ärmer, jedoch um ein schlechtes Gewissen gegenüber der armen Familie aus der Sahelzone, deren Jahresration an Wasser ich soeben geraubt habe, reicher. - Dafür geht es meinem Auge jetzt wieder so einigermaßen.
Ich tauche empor und blicke in den Spiegel.
Bei meinem Anblick stöhne ich laut auf, denn mein gesamtes Augeninneres ist umsäumt von haarfeinen, geplatzten, Blutorange-roten Äderchen.
Untertrieben ausgedrückt, sehe ich aus wie ein Junkie und fühle mich wie ein Happy-Tree-Friend nach dem dritten Einlauf.
Fehlt nur noch, dass jetzt mein linker Augapfel ruckartig die Höhle verlässt, dem Spiegel entgegenschnellt und dort, einzig gehalten von der hin-und-her-baumelnden Sprungfeder, langsam ausschwingt.
Keine halbe Stunde später ist wieder Ruhe eingekehrt und ich widme mich liebevoll meinem brutzelnden Wok. Es duftet köstlich nach Koriander.
Inzwischen kocht auch der Duftreis und ich stelle die Herdplatten auf die niedrigste Stufe. So kann alles noch ein bisschen ziehen.
Ich decke den Tisch auf der Terrasse und dekoriere dezent maritim, mit großen Muscheln und Seesternen. Zum Schluss zünde ich die Windlichter an.
Mit einer kleinen Maschine crashe ich Eis mühevoll per Hand, stelle alle Zutaten für die Cocktails parat und mixe mir den ersten Probelauf.
Mein Badezimmerspiegel beruhigt mich um Punkt 18.39 Uhr, denn die Rötung ist fast verschwunden. - Ideales Timing.
Zufrieden teste ich meinen Probe-Cocktail, chille noch ein wenig im Liegestuhl und denke: „Was für ein Tag.“ - Doch er ist noch nicht zu Ende.
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