
Eine unbekannte Nummer erscheint in meinem Display: „Mitterfeld – Hallo?
„Heeey Julia – hier Lilly.“
„Ja Lilly! Was verschafft mir die Ehre und woher hast du meine Nummer?“
„Vor Wochen habe ich mich über Lauras Telefon hergemacht und im Menü ihr Telefonbuch gefunden. - Laura hat doch bald Geburtstag. Und grad hab ich mit Stavros telefoniert und seinen Salon als Party-Location klar gemacht. - Soll ne Überraschung werden. Machst du mit?“
Blöde Frage, natürlich mache ich mit: „Klasse Idee! - Die will ihren Geburtstag nämlich schon wieder ausfallen lassen und unter den Tisch kehren. Kennst sie ja.“
„Geht ja gaaar nicht – schon rein psychologisch gesehen...“, ich höre Feuerzeugschnippen und dann ein tiefes Inhalieren: „Süße, hab leider echt wenig Zeit, muss noch paar Leute anrufen und gleich schneit hier auch schon mein nächster Patient rein. - Ich sag nur: Stress, Stress, Stress.“
„Wie könnte es bei dir auch anders sein.“
Bildlich sehe ich Lilly vor mir, wie sie mit irgendeinem Stift des Pharma-Konzerns Amasch-Vorbay auf ihren völlig überladenen Schreibtisch einhämmert und währenddessen sehnsüchtig mit der einladenden Patientencouch liebäugelt.
„Eine Geschenkidee habe ich auch schon.“
„Hopp – spuck´s schon aus.“
„Stavros war ganz hin und weg und steuert auch bei.“
„Ich höre.“
„Einen Gutschein bei Ijing.“
Ich falle fast in Ohnmacht. Von einer Sekunde auf die nächste kracht just meine Kinnlade auf das Echtholzparkett. Ich meine sogar ein dumpfes Aufschlagen zu vernehmen.
„Du sagst ja gar nichts?!“
Als ich meine Zähne aus dem Massivholz befreit habe: „Bei DIR kann man wirklich mit allem rechen.“
„DAS nehme ich als Kompliment.“
Während ich weiter mein Gebiss sortiere höre ich, wie Lilly, von sich selbst überzeugt, im Taumel unaufhaltsamer Euphorie ergänzt: „Da die Laura doch in letzter Zeit so schlecht auf Liebesdinge zu sprechen ist und überhaupt... - Übrigens, Gisele beteiligt sich auch. Wie ist´s mit dir?“
Nachdem ich nicht ständig als Quertreiber gelten will und Laura ja schließlich meine allerbeste Freundin ist, stimme ich in Herrgotts Namen zu.
„Stavros sorgt für Schampus und ich dachte an Fleischpflanzerl. Gisele und andere machen Salate und Carlos organisiert ein Fasserl Bier. Irgendjemand bringt sogar Hähnchenschenkel“, sie raschelt sich durch die Blätter, „hmmm – wie wärs mit Kuchen? Der fehlt noch auf der Liste.“
„Mit wie vielen Gästen rechnen wir denn so im Durchschnitt?“
Wieder raschelndes Papier.
„So um die dreißig.“
„Du, dann mach ich einfach zwei Kuchen und die Geburtstagstorte. - Okay?“
„Superklasse! - Das wird prima. Kann dir gar nicht sagen, wie ich mich schon freue. - Also bis bald dann.“
„Laura? - Hier Julia.“
„Weiß ich doch. - Steht doch seit Jahren jedes mal aufm Display.“
Ich fasse mir an den Kopf: „Wollt dich nur fragen, wann wir mal wieder zur Rundumsanierung wollen. Ich wär mal wieder soweit. Mein Ansatz brüllt schon.“
„Wann hast du denn Zeit?“
„Am besten bald, dann hast du bis zum Geburtstag die Haare schön.“
Sie stöhnt: „Hach ja, der olle Geburtstag. DAS muss ja auch alle Jahre wieder sein.“
„Ach komm schon, Spatzel.“
Sie blättert im Terminbuch: „Wie wär´s denn Freitag Nachmittag? Da mach ich schon um 17 Uhr Feierabend, da mich Gerlinde Überstunden abbauen lässt.“
„Perfekt. Dann mach ich für uns bei Stavros den Termin klar.“
Als ich noch schnell den Müll raus trage, begegne ich Irmi.
Zur Abwechslung trägt sie heute einmal Gestreiftes aus Leinen.
Sie grüßt tonlos und zwängt sich an mir vorbei, als sei das bewaffnete, auf Gestreiftes-aus-Leinen abgerichtete, Mode-Fauxpas-Syndikat hinter ihr her.
Warum sieht mich das Streifentier denn so hasserfüllt an?
Beinahe panisch reißt sie die Augen auf und wirkt dabei, wie eine Mondscheinkranke nach einem ausgiebigen Solariumsbesuch im Turbobräuner.
Hektisch stürzt sie zur Haustür hinaus, stolpert den Absatz hinunter und huscht, während ich ihr gedankenverloren hinterher blicke, um die nächste Ecke.
Aaah! - Jetzt dämmert´s mir.
Seit ein paar Tagen herrscht nämlich wandseits relative Ruhe.
Offensichtlich hat sie inzwischen Post von der Hausverwaltung bekommen.
„Verrückte Welt“, denke ich mir und: „Geht doch!“
Dann kehre ich zufrieden grinsend in die Wohnung zurück und lese das Jaud-Buch endlich und in einem Zug.