Melanie Nunner
  2 Unter die Lupe nehmen
 
 


Eine verführerische Duftmischung aus frisch gegrilltem Fisch,  mediterranen Gewürzen und natürlich viel frischem Knoblauch schlägt mir entgegen. Aus dem Radio tönt Adriano Gelentanos Una festa sui prati*, während mir Umbertos italomässig gut gelauntes Buona Sera* entgegen schmettert. Er hilft mir aus der Jacke: „Hasse du eute eine Treffe?“, hängt sie an die Garderobe, „sitze er dahintene...“ und weist mir den Weg.

 

Mich erwartet Kerzenschimmer. Der Tisch, im holzgetäfelten Erker der urigen Trattoria Felicéta, ist geradezu ideal für ein erstes „unter die Lupe nehmen“. Meinen Dating-Partner kenne ich bislang nur flüchtig aus dem Fitness-Studio und schüttle ihm soeben zum ersten Mal die Hand. Dabei stelle ich fest, dass sein Händedruck trotz Bodybuilding feucht und lapprig ist, was von mir nicht gerade als Top-Omen bewertet wird. Mir schwant böses! - Und tatsächlich, mein Premiere-Treff stellt sich als über die Massen ermüdend heraus und hört auf den Namen Peter. - Er kommt aus Franken.

Wir bestellen Vino Rosso, reden über das Studio, ob ich diesen oder jenen kenne. Zudem erfahre ich einschläfernd tolle Geschichten aus Peters Tätigkeit, dem überaus spannenden Beruf als Sachberater bei den Münchner Stadtwerken.

Nun traue ich mich erst recht nicht mehr zu erwähnen, dass ich bei einer Event-Agentur arbeite, denn schließlich möchte ich Peter nicht gleich mit allzu großer, geistiger Sinnesreizung übervorteilen. Gelangweilt hangeln wir uns mit nichts sagendem oberflächlichen Geplänkel durch den Abend.

Umso dankbarer bin ich, als Umberto endlich die Pizzen serviert. Somit habe ich quasi die Schnauze voll und bin vorerst verbal außer Gefecht gesetzt. Was Peter allerdings nicht weiter stört, da er auf die Art ungehindert zum Zuge kommt: „...wesst, mir Fran-ge mööche des scho aa gern ämol, mit em Haufe Gnoblauch un em ganze idalienische Zeuch...“

Als Umberto die Rechnung bringt, nehme ich gerade den letzten Schluck Wein.

Das hilft über kommendes hinweg, denn dieser Moment wird zu jenem, in dem ich feststelle: Der galante Peter ist keineswegs im Begriff mich einzuladen. „Das ist ja wohl echt die Höhe!“ Mein Alterego fühlt sich wie Rumpelstilzchen auf Ecstasy und schlägt Alarm. „In Anbetracht der vorherrschenden Gesamtsituation habe ich mir das ja wohl redlich verdient“, denkt es, „allein schon ob meines durchgehend wohlwollenden Lächelns“. Vor lauter Empörung und innerer Aufruhr verdrehe ich die Augen, was Umberto bemerkt, aber nonchalant überspielt (wir denken das Gleiche). Mit gespielter Gleichgültigkeit zücke ich den Geldbeutel, zahle meinen Anteil und grüble, was ich diesem Treffen Gutes abgewinnen könnte. - Eines ist sicher, ich will noch nicht nach Hause und schon gar nicht grübelnd. - Mein unbefriedigter Erlebnisdrang lässt mich den unbedachten Vorschlag heraussprudeln, noch irgendwohin tanzen zu gehen: „Wie wär´s mit Streginos?“ Worauf mein ach-so-holder Begleiter erwidert, dass er gern bereit dazu wäre, wenn er noch das nötige Kleingeld dafür hätte: „Abä´s is ja scho fast elf und ich hab aa kei Bang-Kadde dabei – heilichs Blechle – des dud mir fei jezatle leid, abä - ich hab´s echt ned wiss gekönnt“, er klopft suchend seine Hosentaschen ab. „Des hädst ma rechzeidich sach müss, weil´s mir g´rad aweng beinlich is“, beschämt durchwühlt er nun seine Jacke nach Barem. Schlussendlich kommt er auf den ihm verbleibenden Gesamtbetrag von exakt 8 Euro 37 Cent und schiebt diesen auf der Tischplatte hin und her, als würde dadurch der Groschenwert erhöhen, „hei, wenn ich des bloß gewisst hädd...“ 

Was ich nun tue, gehört zu den Dingen, über die ich mich im Nachhinein noch tierisch ärgern werde. Das ahne ich jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht und lasse mich folglich dazu hinreißen ihm zwanzig Euro zu leihen, da ich unbedingt noch irgendetwas erleben will.

Mei, in mir frühlingsgfühlts halt...
 
 
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